Ein Interview mit Helmut Markus. Der mobile Heil-Masseur aus Mödling mit dem Schwerpunkt manuelle Lymphtherapie spricht mit uns offen über die Probleme in der Branche!
Herr Markus, bitte stellen Sie sich doch zunächst unseren Lesern vor
Helmut Markus: Ich bin durch meine sportliche Tätigkeit in meiner Jugend mit Sportmassage sporadisch in Berührung gekommen. Nach meiner Zeit beim österreichischen Bundesheer als Zeitsoldat begann ich mit der Ausbildung zum medizinischen Masseur. Nach dieser Ausbildung arbeitete ich in einem physikalischen Ambulatorium, danach bei einem orthopädischen Arzt um nach einem knappen Jahr und einem weiteren Ausbildungslehrgang ins Sportmassagefach zu wechseln, in dem ich von 1998 bis 2006 mehr oder weniger intensiv bei verschiedensten Sportvereinen und Verbandsmannschaften in verschiedensten Sportarten arbeitete.
Ein Weltmeistertitel 2006 mit einer deutschen Crew im Segeln bei den “World Sailing Games”, einige österreichische Meister- und Cupsiege sowie einige Teilnahmen bei Weltmeisterschaften, Jugend- und Junioren Europameisterschaften, wobei hier wiederum der 3. Platz mit der österreichischen Juniorenmannschaft in American Football im Jahr 2000 in Berlin herauszustreichen wäre, sind da neben Einladungen zu Trainingslager des amerikanischen Fußball Bundes die Highlights meiner Sportmasseur Karriere.
Danach ging es noch einmal auf die Schulbank. In einem 3-Jährigen Kurs lernte ich noch “Heilmasseur” und gleich darauf den “lehrberechtigten Heilmasseur”, machte mich 2006 freiberuflich selbständig, für kurze Zeit war ich Lehrender und fachlich/organisatorischer Leiter in einer Massagefachschule, vertiefte mich in die manuelle Lymphdrainage, welche ich schon in meiner Sportmasseurlaufbahn kennen und schätzen lernte, spezialisiere mich auf Palliativpatienten und anderen “Problemfälle” wie MS, Schlaganfall, Krebs, Lipödem, etc. welche von anderen Therapeuten nicht mehr behandelt wurden, weil als “sinnlos” qualifiziert.
Wird die manuelle Lymphdrainage von der Krankenkasse bezahlt?
Helmut Markus: Diese Frage kann man nicht mit einem “ja” oder “nein” beantworten – in Österreich antwortet man sehr gerne auf solch eine Frage mit einem entschiedenen “vielleicht”. Nachdem es in Österreich neben den Gebietskrankenkassen (jedes Bundesland eine, also neun) auch eine Unzahl von Betriebskrankenkassen, für Selbständige, Beamte, Gemeindebedienstete sowie für die Bauern gibt, gibt es mindestens genauso viele Richtlinien über die manuelle Lymphdrainage. Durch diesen Dschungel durchzublicken, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, selbst für Spezialisten.
Grundsätzlich gilt aber ein Konsens – manuelle Lymphdrainage wird nur nach einer Brustkrebsoperation verordnet und bezahlt. Dazwischen gibt es sehr viel Freiraum, Verordnungen zu bewilligen oder nicht. Manchmal hat es den Anschein, die Bewilligungen werden je nach Befinden, Lust und Laune des Arztes der jeweiligen Krankenkasse, welcher das Ansuchen bearbeitet, bewilligt oder auch nicht .
Dazu kommt noch, dass die verschiedenen Krankenkassen für ein- und dieselbe Krankheit eine verschieden lange Behandlungsdauer und auch -anzahl bewilligen.
Wo und unter welchen Bedingungen sollte eine manuelle Lymphdrainage erfolgen?
Helmut Markus: Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass es natürlich auf das Krankheitsbild ankommt! Aber, seriöse Fachleute auf diesem Gebiet sind sich einig, dass zuerst eine stationäre Therapie zu erfolgen hat. In Österreich gibt es zwei ausgezeichnete Zentren, das LKH Wolfsberg und die Lymphklinik Walchsee. Danach, etwa nach 3 Wochen stationärer Behandlung und Schulung, sollte in enger Zusammenarbeit der Ärzten mit den Therapeuten/Therapeutinnen in der Nähe des Wohnortes des Patienten/der Patientin ein ambulanter Therapieplan erstellt werden und eine Anschluss-Therapie durchgeführt werden, deren Dauer und Häufigkeit sehr stark variabel sein kann. Das scheitert zur Zeit leider oft an mehreren Hürden – vor allem am Zeitmangel für ein Arzt/Therapeuten-Gespräch, um einen Therapieplan zu erstellen.
Aber auch daran, dass es zu wenig gut ausgebildete Ärzte/Ärztinnen und Therapeuten/Therapeutinnen gibt, welche dafür zur Verfügung stehen würden.
Seit 2015 sind Sie Mitglied des Vorstandes der Österreichischen Lymphliga. Welche Ziele verfolgt die Lymphliga?
Helmut Markus: Die österreichische Lymph Liga versteht sich in erster Linie als Vertretung der Interessen der Patientinnen und Patienten gegenüber den verschiedenen Institutionen wie Krankenkassen oder Pensionsversicherungsanstalten und steht diesen mit Rat und Tat zur Seite. In der Liga arbeiten aber auch Ärzte und Therapeuten eng zusammen, welche natürlich die Anliegen und Probleme ihrer eigenen Berufsgruppe kennen und ständig Verbesserungen in der Ausbildung und Lösungen verschiedenster fachlicher Problemen suchen. Aktuell wird um eine Lösung im Spannungsfeld “Anerkennung der Ausbildung in der manuellen Lymphdrainage durch die Krankenkassen” gerungen.
Abschließend ein Versuch, ein wenig in die Zukunft zu blicken. Wie geht es weiter? die nächsten Schritte?
Helmut Markus: Wir sind, obwohl die manuelle Lymphdrainage seit dem Jahr 1964 als Therapie anerkannt ist, am Start bzw. kurz nach dem Start praktisch stehen geblieben, warum auch immer. Da ist noch sehr viel Arbeit vor uns. Der Dreh- und Angelpunkt hier in Österreich ist auf jeden Fall die Ausbildung aller Beteiligten. Die Ärzte müssen in ihrem Studium das komplette Lymphsystem und nicht nur die Lymphknoten kennenlernen.
Jene Physiotherapeuten und Heilmasseure, welche sich für diese Therapie interessieren, müssen gefördert, gefordert und bestmöglichst aus- und weitergebildet werden. Wenn diese Grundlage dann steht, werden die Krankenkassen nicht mehr daran vorbeikommen, die erforderlichen Therapien zu bezahlen. Das war ja ein grundlegendes Problem in der Vergangenheit. Immer wenn ein Arzt nicht mehr weiter wusste, verschrieb er manuelle Lymphdrainagen.
Mit der Zeit wurde da aber das Kassensystem einfach finanziell überfordert. Daraus entstanden dann die sonderbarsten Begründungen, wieso solche Therapien abgelehnt wurden, weil sich eben niemand, weder die behandelnden noch die Krankenkassenärzte auskannten bzw. auskennen.
Beispielsweise wird die Therapie eines Lipödemes mit der Begründung abgelehnt, dass dies ein kosmetisches Problem sei, dass dieses Lipödem aber eine hormonelle, eine veranlagte Krankheit ist, wird ignoriert.
Aber, jetzt nichts übereilen, ein Schritt nach dem Anderen. Zuerst Ausbildung verbessern, danach die berechtigte Forderungen an die Kassen stellen. Wir sind auf einem guten Weg und alle sind motiviert, diese Hausaufgabe zu machen.
Frank Noack: Vielen Dank für das Interview, Herr Markus. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg bei der Durchsetzung eurer Anliegen der manuelle Lymphdrainage!
Nachtrag zum Interview im Video, um Missverständnisse aus dem Weg zu gehen: natürlich darf der Heilmasseur grundsätzlich nur gemäss Verordnung des Arztes arbeiten. Sollte aber in der Zwischenzeit eine Kontaindikation aufgetaucht sein die gegen eine Massage spricht oder sich das Beschwerdebild so verändert haben, dass eine andere Massage zielführender wäre, ersucht man den Arzt um eine andere Verordnung. Beziehungsweise führt man die Massagetechnik eben nciht aus! Beispiel: Patient wird überwiesen mit einem Beinlymphödem – in der Zwischenzeit kommt noch eine Herzmuskelentzündung dazu – natürlich gilt da:“Hände weg“!